...Mittlerweile ist Phil von der normalen Gesichtsröte zu dunkelblau angelaufen und will gerade den Mund öffnen, als er von Mia erneut unterbrochen wird.
Der mürrische Louis sieht aus, als ginge es ihm nicht gut und zittert am ganzen Leib so sehr, dass auf meiner anderen Seite der Babysitz mitwackelt. Er scheint seeehr ängstlich zu sein. Was ist hier bitte los? frage ich mich erneut. Wegen des ganzen Trubels um mich herum haben meine Tränen inzwischen aufgehört zu fließen. Was soll ich bloß tun? Ich sitze in der Mitte fest und kann mich nicht befreien.
Doch Phil holt tief Luft, atmet wieder auf und sagt ganz hektisch: “Oh Gott, es tut mir so schrecklich Leid. ich wollte nicht…” Er läuft davon.
Frau Fink bedauert das Verhalten ihres Mannes und erklärt, er habe öfter mal Wutausbrüche aufgrund seiner Kindheitstraumata. Louis beginnt volles Rohr zu weinen. Dann läuft die Mutter zu ihm und versucht, ihn zu trösten. Währenddessen erklärt sie mir: “Phil hat leider seine Wut immer an den Kindern ausgelassen. Da jedoch Louis älter ist, hat er natürlich auch viel mehr mitgemacht als das kleine Sonnenkind neben dir. Da mein Mann in seinen schlimmsten Momenten handgreiflich geworden ist, habe ich ihm den Kontakt zu ihm verboten. Nur konnte ich dies nicht immer verhindern… Unser Louis hat daher auch Verletzungen abbekommen...Aber ähm, sei bitte nicht besorgt. Ich bin immer schockierter über diese Familie, versuche es aber nicht allzu sehr zu zeigen. “Phil war bereits sehr lange in Therapie deswegen. Er hat sich inzwischen so gut im Griff, dass ich ihn sogar abreagieren kann und er seinen Fehler selbst einsieht und sich dafür entschuldigt. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie das einst gewesen ist… Aber wieso erzähle ich dir das überhaupt?”
Ich sitze stumm und reglos da. Ich weiß absolut nicht, was ich dazu sagen soll, außer dass das hier hoffentlich alles nicht wahr ist… Nur leider ist es genauso wahr wie alles andere, was ich in den letzten Tagen auch erfahren habe…Warum muss so ein Mist immer auf einmal passieren. Ich will doch einfach nur nach Hause!
Als Louis genug getröstet ist, sucht seine Mutter ihren Mann. Dieser ist jedoch, zumindest vom Auto aus, weit und breit nicht sichtbar. Wir drei bleiben still schweigend im Auto zurück. Ich werde wohl niemals daheim ankommen. Allerdings findet Frau Fink ihn schnell auf einem Stein zwischen Gestrüpp kauern. Auch ihn beruhigt sie erfolgreich einige Zeit später. Sie nimmt ihn mit zum Auto und fragt ihn, ob sie nicht besser nach all der Aufregung weiterfahren solle. Phil erwidert nur ein leises “Ja”.
Als nun also wieder alle im Auto sitzen, geht die Fahrt endlich weiter. Yeah, ich nähere mich meinem Ziel. Phil schläft ein, alle sind wieder bei Sinnen und die Fahrt verläuft ab jetzt nur noch still weiter, da wohl niemand Hr. Fink aufwecken mag. Nach einem Zwischenstopp bei der Tankstelle, um die Familienkutsche mit Sprit zu versorgen und Nervennahrung und ein paar Getränke zu besorgen, ging der noch zu weit entfernt zu sein scheinende Weg weiter. Allerdings konnte ich nach einer bestimmten Zeit meine Augen nicht mehr aufhalten, weil…
Eine freundliche Stimme sagt: “Aufwachen, Schlafmützen! Wir haben unser Ziel erreicht!”
Ich schrecke aus lauter Furcht zusammen. Ich bin doch tatsächlich eingeschlafen! Wie konnte mir das nur passieren? Das wollte ich doch nicht! Ich kann Gott weiß wo sein und ich habe während des Schlafs natürlich alle restlichen Straßen- und Ortsschilder verpasst. Wie es scheint, haben alle, außer Frau Fink, geschlafen.
“Wir sind nun in Würzburg. Wo sollen wir dich rauslassen, ähh Mädchen, das uns immer noch nicht seinen Namen mitgeteilt hat?” sagt Mia.
Ich frage sie ganz aufgewühlt: “Wie kann ich mir da sicher sein, dass wir wirklich in Würzburg sind, wenn ich den letzten Teil der Strecke verschlafen habe?”
Louis: “Oho. Erst nichts über sich preisgeben und jetzt auch noch Ansprüche stellen. Das geht gar nicht.” Er wird sofort von der Mutter unterbrochen, die die nächste Eskalation verhindern will. “Entweder vertraust du mir oder eben nicht. Das musst du entscheiden. Wir befinden uns JETZT in Würzburg. Wo willst du hin?”
Von mir kommt nur ein Murren: “Mir egal, irgendwo. Wobei, stopp! Lassen Sie mich bitte irgendwo raus, wo ein großer Bahnhof oder etwas in der Art ist, damit ich weiter kann.”
“Okay gut. Hier vorne kommt einer.”
Frau Fink hält an, hilft mir mit meinem Gepäck und sagt mit einer weichen Stimme: “Ade, Fremde. Ich hoffe, du hast nun nicht einen allzu schlechten Eindruck von uns bekommen.” Sie drückt mir auch noch ein paar Snacks zu und düst schon mit ihrer verrückten Familie weiter.
Jetzt stehe ich hier, mal wieder einsam und verlassen. Dieser Teufelskreislauf wird wohl niemals aufhören...Und nun? Wie komme ich von hier die 200 Restkilometer ohne Geld nach Hause?
-Fortsetzung folgt-
von Selina Peesel, MSS 13
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